"Jauerling-Wiesn" - Vom Gipfel bis nach Spitz auf Skiern
Zeitzeuge Franz Trautsamwieser über die Geschichte des Skisports am Jauerling
Die Abhänge des Jauerling in den Spitzer Graben sind heute fast zur Gänze bewaldet. Nur noch ganz wenige Waldwiesen zeugen von einer Vergangenheit, die von großen Wiesenlandschaften geprägt war. Ein Blick auf den Franziszäischen Kataster aus dem frühen 19. Jahrhundert zeigt das Ausmaß
und die immensen Veränderungen, die hier vor allem im letzten Jahrhundert stattgefunden haben. Aufgrund der Rahmenbedingungen in der modernen Landwirtschaft ist die Viehhaltung in den Tallagen der Wachau und des Spitzer Grabens fast zur Gänze eingestellt worden und damit sind die hier ganz
besonders artenreichen Wiesen zum Großteil unter Fichtenaufforstungen
und Christbaumkulturen verschwunden. Können Sie sich vorstellen, dass man noch bis in die 1960er-Jahre vom Jauerling-Gipfel bis nach Spitz Skifahren konnte? Diese Abfahrt war als „Jauerling-Wiesn“ wohl bekannt. Im folgenden Zeitzeugenbericht teilt Franz Trautsamwieser, Obmann der Aussichtswarte Jauerling, seine Erinnerungen über die Entwicklung des Skisports am Jauerling.
"Der Jauerling, als Hausberg der Kremser und Wachauer, wurde schon in den 1950er Jahren als Skiberg entdeckt bzw. erschlossen. Vorerst fuhren einige mutige Kremser und Spitzer an Sonntagen mit dem Postbus von Spitz nach Oberndorf, um Ski zu fahren. Von Oberndorf ging es zu Fuß zur Theresienhütte (damals bewirtschaftet). Auf dem daneben nur mit einigen Sträuchern bewachsenen Hang, dem sogenannten Loch, wurde dem Skisport gefrönt. Es gab keine Aufstiegshilfe, man musste nach der ca. 500m langen Fahrt mit den Skiern zu Fuß wieder bergauf stapfen. Dies war sehr mühsam.
Der Mechanikermeister Robert Rath aus Spitz war einer dieser begeisterten Skifahrer. Er kam auf die Idee, einen Skilift zu bauen. Von Landwirten aus Vießling pachtete er Wiesen am sogenannten Düreck (damals war diese Gegend nicht bewaldet) und errichtete im Jahr 1955 einen Pendellift, der von einem Benzinmotor angetrieben wurde. Um zum Lift zu gelangen, musste man von der Theresienhütte fast einen Kilometer einem Waldweg folgen. Auch der Heimweg abends war daher beschwerlich. Die Liftstrecke selbst war knapp 400 m lang. Es waren zwei Liftbügel vorhanden. Ein Bügel bergauf, ein Gegenbügel bergab. Treffpunkt Streckenmitte mit Ausweichmanöver. Zusätzlich wurde auch knapp neben dem Lift eine Sprungschanze gebaut. Dieser Lift erfreute sich großer Beliebtheit. Er wurde vorwiegend von Kremsern und Wachauern benützt, Bürger der damaligen Gemeinde Ma. Laach waren kaum nennenswerte Skifahrer. Durch diesen Lift kamen immer mehr Skifahrer auf den Jauerling. Sonn-und feiertags fuhr der Postbus dreimal auf den Jauerling- ca. um 08:15 Uhr, nach 10:00 Uhr (jeweils nach Ankunft des Zuges aus Krems) und gegen 13:30 Uhr. Findige Spitzer kamen auf die Idee, nach Spitz mit den Skiern abzufahren. Sie fuhren eine Route vom sogenannten „Jagahaus“ oberhalb von Oberndorf über Benking und die „Märmlatz“ bis zur „Ödreith“. Dort konnte man den Postbus aufhalten und weiter nach Spitz mitfahren. Auch wurde mit dem 8er Bus nach Oberndorf gefahren, schnell zum „Jagahaus“ gewandert und abgefahren, damit man den 10er Bus erreichte und so nochmals die Abfahrt genießen konnte. Obwohl sich der damalige Lift großer Beliebtheit erfreute, wurden die Freunde der Abfahrt zur „Ödreith“ immer zahlreicher. Ein Benkinger Landwirt sperrte daher die Durchfahrt über eine sehr steile Wiese ab. Der Alpenverein handelte dann mit ihm eine Übereinkunft aus, dass gegen eine jährliche Pacht von 50 Schilling ein Gattertor errichtet wurde, das während der Skisaison geöffnet blieb.
Diese Skiabfahrt (sie wurde oft als erste alpine Abfahrt Niederösterreichs bezeichnet) wurde immer beliebter. Durch Anregung der Spitzer Mitglieder des ÖAV wurde der Postbus nun linienmäßig als Pendelbus Oberndorf-Ödreith geführt. Schnelle Fahrer konnten somit vorerst sechsmal am Tag die Abfahrt nutzen. Der Zustrom wurde aber immer größer und der Postbus überfüllter, sodass letztlich drei Busse pendelten. Zusätzlich fuhr noch der Hotelier Florian Mistelbauer mit einem VW-Bus. Trotz dieses großen Angebots waren alle Busse immer überfüllt. Der Postbus, Steyr 380, war für 37 sitzende Personen und 10 Stehplätze zugelassen. Die größte Fuhr waren einmal 58 Personen im Innenraum, sowie 17 Personen am Dach und der klappbaren Leiter. Auf jeder Leitersprosse stand ein Skifahrer- heute undenkbar.
In der Zwischenzeit wurde der Pendellift störanfälliger und auch weniger beansprucht, da die Abfahrt sich größerer Beliebtheit erfreute. Mitte der 60er Jahre stellte dann Robert Rath den Liftbetrieb ein. An das genaue Datum kann er sich aber nicht mehr erinnern. Durch schneearme Winter und den entstehenden Skigebieten Lackenhof und Hochkar wurde auch der Zustrom zur Jauerling Abfahrt immer geringer, sodass die Post die Pendelbusabfahrten einstellte und nur mehr Mistelbauer bei Bedarf mit dem VW Bus fuhr. Das Skifahren am Jauerling drohte einzuschlafen.
Über Initiative von einigen Spitzern entstand der Plan, am Jauerling einen neuen Skilift zu bauen. Es wurden auch einige Jauerlinger (aus Oberndorf und Ma. Laach) für diese Idee begeistert. So wurde im Jahr 1968 die Jauerling LiftGesmbH mit 8 Gründungsmitgliedern, je 4 aus Spitz und 4 vom Jauerling, gegründet. Diese waren Fritz Leitner, Josef Michl, Franz Tautsamwieser (1. Verantwortlicher Geschäftsführer) und Dr. Felix Winiwarter aus Spitz.; Franz Fuchs, Gernot Rausch (weiterer Geschäftsführer), Josef Thallinger und Josef Wiener vom Jauerling. Als Standort wurde das Areal des heutigen Skiliftstandortes gewählt. Dieses Grundstück war bewaldet und befand sich im Eigentum der Bundesforste. Nach langwierigen Verhandlungen konnte mit den Bundesforsten eine Einigung erzielt werden. Dem Bau des neuen Skilifts stand nichts mehr im Wege und mit Beginn der Wintersaison 1969 wurde er eröffnet.
Das Skifahren am Jauerling wurde wieder beliebt und durch die Weiterentwicklung der Liftanlage ist der Jauerling auch im Winter wieder als beliebtes Familienskiland weit über die Grenzen der Bezirke Krems und Melk hinaus bekannt."